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Naturwein in Deutschland

Wenn auch noch nicht so bekannt oder so vielseitig und zahlreich wie in Ländern wie Frankreich oder Spanien –  in Deutschland gibt es mittlerweile eine Menge Naturweingüter, die sensationelle, spannende und naturbelassene Weine herstellen!  Auch in Deutschland gibt es keine Definition oder ein festes Regelwerk für das, was Naturwein ist oder zu sein hat. Der Begriff hat sich für Weine etabliert, die durch “low intervention“ hergestellt wurden, nah an der Natur und durch biologische oder biodynamische Arbeitsweise hergestellt wurden. Zwar ohne Regeln, aber natürlich besteht ein Konsens über die Herstellung und was dabei zu unterlassen ist – wie beispielsweise Schönungsmittel oder Reinzuchthefen. Dazu könnt ihr auch nochmals in unserer Naturweindefinition nachlesen. 

Sprungbrett

Weinbau in Deutschland

Weinbau wurde in den vergangenen Jahrzehnten technisch intensiviert, es kamen chemische Dünger durch das Haber-Bosch-Verfahren auf den Markt und es ging immer mehr um Ertrag pro Fläche statt Qualität auf der Flasche. Die Herstellung des Weines wurde stark technisiert und der Wein durch immer mehr Schönungsmittel und Reinzuchthefen für gewisse Geschmacksrichtungen auf eine bestimmte Geschmacksvorstellung hin angemischt.

Es gibt derzeit etwa 50 zugelassene Zusatzmittel und Verfahren, um einen Wein während der Herstellung zu behandeln. Dazu gehören Nährstoffe und Enzyme, Säure, Zucker und Tannine, das filtrieren, pasteurisieren, ultrahocherhitzen und vieles mehr. Auf dem Etikett erscheint davon nur der Schwefel als Zusatzprodukt.

Das alles nur, um jedes Jahr den gleichen Geschmack, die gleiche Farbe und die gleiche Qualität liefern zu können. Konventioneller Weinbau war jedenfalls geboren und …ist natürlich geblieben. 

Warum Naturwein (noch) ein Nischenprodukt in Deutschland ist

Unser Geschmack ist eine extreme Gewohnheitssache und wenn wir dann das erste Mal Naturwein trinken, mögen wir erstmal denken “UIII, Sauerkrautsaft und Most”, beim nächsten Mal denken wir dann aber schon WOW, so wildfruchtig, anderslecker, juicy und funky und beim dritten Mal, haben wir uns schon entschieden, dass wir nichts anderes mehr wollen als Naturwein. Dennoch – der erste Schritt ins ungewisse muss erst einmal gemacht werden!

Warum in Deutschland der Naturweintrend erst so spät eingeschlagen hat, könnte an vielen Faktoren liegen. Zum einen sind bei den Deutschen die Ausgaben für kulinarische Produkte nicht unbedingt hoch angesiedelt auf der Prioritätenliste. In Deutschland gehen Weine für im Durchschnitt 2,92 Euro über den Verkaufstisch. Es ist also nicht nur der Produzent, der den Weinmarkt prägt, sondern schlichtweg vielmehr die Verbraucher*in. Das Problem ist, dass von den 2,92 Euro kein guter Wein hergestellt werden kann, der nachhaltig produziert wurde, mit gesundem Boden, bei dem Arbeitskräfte gut bezahlt werden und der oder die Winzer*in einen angemessenen Lebensunterhalt verdienen kann.

Dieser Preis ist nur für Massenprodukte möglich, hergestellt auf großen Flächen, mit dem Vollernter geerntet. Von den 2,92 Euro gehen nämlich auch noch die liebe Mehrwertsteuer von 19% weg, der Vertrieb und das Marketing, die Flasche, der Korken, der Arbeitslohn und nicht zu vergessen die Marge im Verkauf – das sind nochmals mindestens 30%. Das macht für die Winzer*in am Ende vielleicht noch 70 Cent – und damit muss sie noch die ganzen Betriebsmittel bezahlen?! Mhhhhh das macht keinen Spaß. 

Ein weiterer Punkt sind in Deutschland möglicherweise auch die vielen Verbände und Genossenschaften, welche eine sehr genaue Kriterienliste dafür haben, was ein guter Wein zu haben hat und was nicht. Für Qualitäts- und Prädikatsweine zählt dabei auf jeden Fall Trübheit als Ausschlusskriterium. Auch wenn Weine durch natürliche Sedimentation klar werden, können sie dies nicht garantieren. Kurz gesagt: Es ist die Einstellung des Deutschen Weinmarkts und seiner Konsument*innen, das Naturwein lange nicht aufblühte und auch heute noch ein extremes Nischenprodukt ist. Jedoch entdecken immer mehr diese wilde, stürmische, rohe und vielseitige Form von Wein für sich und ihren Gaumen!  

Deutscher Naturwein

Deutscher Naturwein – Die Winzer*innen

Wenn Ihr deutschen Naturwein entdecken wollt, dann gibt es mittlerweile auf jeden Fall ein paar Dutzend Winzer*innen, die echt grandiosen Wein machen. Stefan Vetter zum Beispiel macht schon seit 2010 passioniert Naturwein in Franken und einen extrem guten Silvaner. Dann gibt es Frank John, der, man könnte schon sagen einer der Ersten war in Deutschland – seine Naturweine produziert er seit 2002 im biodynamischen Stil und bringt damit das Pfälzer Terroir auf den Gaumen. Oder, wenn man mal in den nördlichsten Weingeschmackhimmel eintauchen möchte kann man Konni&Evi probieren. Die beiden kommen aus Saale-Unstrut und machen dort Naturwein seit 2016. 

Den ersten Amphorenwein in Rheinhessen haben Bianca und Daniel Schmitt gemacht, welche dort seit 2012 Naturwein machen. Oder die etwas neueren Sterne am Himmel Marto Wörner, welcher unter dem Namen Marto Wines seit 2016 Wein produziert, der voll durch die Decke geht. Mindestens genauso genial seine Freundin Alanna La Gamba, welche mit ihren Frauenpower Lambrusci extrem leckeren Schaumwein produziert. Andi Mann, Brandbros, Rudolf Trossen, GlowGlow und Andi Weigand und einige mehr, sie sind alle nicht mehr wegzudenken aus dem Naturweinrepertoire in Deutschland. Manche der Winzer*innen wie Frank John produzieren eher Weine im klassischen Stil, also klar, ausbalanciert und Rebsortenbetont, andere eher wildere Weine, die ganz neue Geschmackshorizonte eröffnen. 

Jährlich kommen neue junge, passionierte, verrückte, extravagante, sensationelle, besondere Winzer*innen auf dem deutschen Weinmarkt an, mit immer neuen Ideen, die Bock auf Naturwein haben – wir sind gespannt! Nicht ohne Grund findet auch jährlich die RAW-Wine in Berlin statt. Eine der wichtigsten Naturwein-Messen, welche in diversen Ländern ausgetragen wird.